Logo

Mehrelternschaft

Bild: Fauxels auf Pexels

Im deutschen Recht gilt das Prinzip der “Zweielternschaft”.

Gemäß § 1591 BGB ist gesetzliche Mutter stets die Frau, die das Kind geboren hat, auch wenn das Kind genetisch nicht von ihr abstammt.

Auch die rechtliche Vaterschaft wird gesetzlich bislang nur einer Person zugewiesen: Vater eines Kindes ist nach § 1592 BGB der Mann,

  1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
  2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder
  3. dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist.

Das hat zur Folge, dass nur zwei Personen in die Geburtsurkunde eines Kindes eingetragen werden und nur zwei Personen sorgeberechtigt sein können (mit einer Ausnahme in § 1687b BGB: sog. kleines Sorgerecht).

Auch sonst orientieren sich rechtliche Regelungen an der biologischen Kernfamilie, wenn es etwa um unterhalts- oder erbrechtliche Ansprüche geht.

Die Lebensrealität, insbesondere bei Regenbogenfamilien, ist jedoch häufig eine andere, und stellt das “biologische” Prinzip infrage.

In Mehreltern-Regenbogenfamilien vereinbaren häufig bis zu vier Personen,  schon vor der Zeugung, gemeinsam Verantwortung für das Kind zu übernehmen. Der gesetzliche Rahmen für diese Vereinbarung fehlt jedoch, um die einvernehmliche rechtliche Elternschaft der vier Menschen abzusichern. Mit ihm würde den Elternteilen eine bewusste und rechtssicher gestaltbare Erziehungsverantwortung zugewiesen, die dem Kindeswohl dient. Im derzeit geltenden Familienrecht ist das (noch?) nicht möglich.

Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) fordert die Möglichkeit ein, die Rechtsbeziehungen zwischen den beteiligten Erwachsenen untereinander und zum Kind mittels klarer Festlegungen rechtlich verbindlich regeln zu können.

Die Beteiligten sollen insbesondere vereinbaren können,

  • wer/welche die elterliche Sorge – ganz oder teilweise – ausüben soll,
  • dass die sorgeberechtigten Elternteile und die anderen Beteiligten über “Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung” für das Kind gemeinsam entscheiden werden,
  • wer/welche in welchem Umfang ein Umgangsrecht mit dem Kind haben soll,
  • wer/welche in welchem Umfang ein Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes haben soll,
  • ob und inwieweit sich die Beteiligten, die nicht rechtliche Eltern des Kindes werden, an dem Unterhalt des Kindes beteiligen und den rechtlichen Eltern Betreuungsunterhalt zahlen sollen, wenn diese wegen der Betreuung des Kindes nicht erwerbstätig sein können.

vgl. LSVD Positionspapier “Regenbogenfamilien im Recht, Punkt 5

Der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition stimmt angesichts folgender Vorhaben optimistisch:

Ziffer 3375: Ausweitung des „kleinen Sorgerechts“ für soziale Eltern und die Entwicklung zu einem eigenen Rechtsinstitut, das im Einvernehmen mit den rechtlichen Eltern auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden kann

Ziffer 3380: Ermöglichen von Vereinbarungen zu rechtlicher Elternschaft, elterlicher Sorge, Umgangsrecht und Unterhalt schon vor der Empfängnis

Letzteres lässt vermuten, dass es zukünftig die rechtliche Zulässigkeit und Gestaltung der Mehrelternschaft geben wird.

Leider ist ein Koalitionsvertrag rechtlich nicht bindend. Die Gesetze müssen erst im Bundestag zustandekommen – und auf diesem Weg gibt es wohl noch einige Hindernisse.

Doch die Zeit ist (über-) reif für eine moderne Familienpolitik.